Wie man Seuchen bereits
im Stall bekämpft
Geflügel- und Schweineställe in der Tierhaltung sind ein möglicher Treiber von Pandemien. Das ATB Potsdam, das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie, beschäftigt sich mit der Prävention.
Die Teilnehmer der Tagung in Potsdam.
Etwa zwei Dutzend Teilnehmende hat der Workshop, den das ATB, das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie, in Potsdam Mitte Oktober veranstaltet. Der Name ist eher pragmatisch „Pandemieprävention in Außenklima-Geflügel- und Schweineställen“. Geladen sind Experten aus Praxis, Verwaltung und Wissenschaft. Die Frage über die gesprochen werden soll: Was kann man machen, bevor es zu einem Seuchenausbruch kommt?
Erst danach zu reagieren ist nämlich nicht nur teurer, sondern macht die Maßnahmen zur Begrenzung auch schwieriger. Dabei geht es nicht nur um Tierseuchen, das wird spätestens dann klar, als Ulrich Schaible, Direktor des Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, sagt: „Da rollt eine stille Pandemie auf uns zu.“ Antibiotikaresistenzen sind schon jetzt ein großes Problem, das in Zukunft noch zunehmen wird – und so helfen Präventions- und Kontrollmaßnahmen zwar gegen Infektionskrankheiten und Antibiotikaresistenzen im Tierhaltungssektor, betreffen mittelfristig aber eben auch die menschliche Gesundheit. Der One Health-Ansatz, der im Leibniz Lab Pandemic Preparedness verfolgt wird, denkt nicht umsonst die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt zusammen. Alle drei Aspekte sind integraler Bestandteil eines nachhaltigen Gesundheitsmanagements.
ATB und FZB leiten daher federführend das Arbeitspaket 2 „Erarbeitung eines resilienten Stalldesigns für die Haltung von Nutztieren unter hohen Biosecurity Bedingungen“ im Lab. Am Ende des Projektes werden jeweils zwei Reviews und zwei Positionspapiere erstellt sein.
Beim Umbau von Ställen gibt es Interessenkonflikte
Darin wird es dann um innovatives Stalldesign und den Einsatz neuer Monitoring- und Detektionssysteme in Außenklimaställen gehen. So wird etwa untersucht, welche neuen Früherkennungsmethoden für infektiöse Aerosole und Pathogene es bei luftübertragbaren Zoonose-Erreger bei Schwein & Geflügel gibt – und welche man entwickeln könnte. So können gleichzeitig Nutztiere geschützt, Krankheitsausbrüche frühzeitig erkannt und Risiken eines Übersprungs von Tier zu Mensch verhindert werden. Die Zusammenarbeit innerhalb des Leibniz Labs erfolgt mit insgesamt elf Instituten.
Sie ist auch deswegen notwendig, weil es beim Umbau von Ställen erfahrungsgemäß Interessenkonflikte zwischen Zielen und Methoden gibt. So achten Verbraucher zwar einerseits auf Tierwohl und Haltungsbedingungen, andererseits endet diese Einstellung oft an der Kasse. Mehr Platz für die Tiere bedeutet aber gleichzeitig höhere Investitions- und damit Produktionskosten, die, umgelegt auf den Preis des Fleisches, nicht immer akzeptiert werden. Der Umstand erklärt, warum wir als Gesellschaft eher auf Seuchen reagieren, als sie durch Maßnahmen zu vermeiden. Denn gerade in der Tierhaltung kostet Reaktivität den Verbraucher zumindest kurzfristig erstmal nichts, die Kosten werden allein auf dem Erzeuger abgeladen. Eine bessere Tiergesundheit durch mehr Platz und Auslauf heißt zudem, dass die Umweltbedingungen weniger kontrollierbar sind. Damit einher geht ein höheres Risiko des Eindringens und der Freisetzung von Krankheitserregern – was das ökonomische Risiko wiederum erhöht.
©Manuel Gutjahr
Vor den Toren Potsdams: Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB).
Jede Prävention ist darüber hinaus schwierig, weil sie auch eine psychologische Komponente hat. Schließlich geht es dabei darum, wie Thomas Amon, Professor für Nutztier-Umwelt-Wechselwirkungen am ATB sagt, „das Unsichtbare, die Erreger, sichtbar zu machen“. Das bedeutet nun nicht, dass man sie tatsächlich sehen sollte, sondern ein Bewusstsein für die Gefahr entwickelt, die von ihnen ausgeht.
Desinfektion reduziert die Zahl der Erreger
Dabei ist es nicht möglich, alle Erreger für alle Zeit zu beseitigen. Ein auch in der Öffentlichkeit oft zu hörendes Missverständnis ist, das Desinfizieren alle Erreger tötet. Das ist nicht der Fall. Wer desinfiziert reduziert zwar die Zahl der Erreger, die Infektionskette wird damit aber nicht unterbrochen. Zumal manche Desinfektionsvorrichtungen selten gepflegt oder falsch genutzt werden. Eine verdreckte oder ausgetrocknete Seuchenmatte etwa nutzt niemandem etwas. Wird sie nicht zweimal täglich aufgefrischt, kann man sich ihre Verwendung auch sparen. Oft ist die Reduzierung von Übertragungen kleinteilig, mühselig und aufwendig. Und so spielt neben dem finanziellen Aspekt nach wie vor Aufklärung eine große Rolle: neue Maßnahmen nutzen nichts, wenn sie falsch umgesetzt werden. Dabei geht es dann nicht nur darum, ob den Landwirten die Relevanz bewusst ist, sondern wichtig ist auch, neue Ideen in den Arbeitsalltag zu integrieren. Gelingt das nicht, dann scheitert die beste Methode oft schlicht und einfach an der Realität.
Die Runde diskutiert: Was ist sinnvoll? Wie lässt sich Tierschutz mit ökonomischen Interessen verbinden? Was hält den Aufwand möglichst gering bei gleichzeitig hohem Nutzen?
Seit Jahrzehnten stellen Tierseuchne eine große Bedrohung für die Landwirtschaft dar. Hier am Beispiel der Maul- und Klauenseuche 1953.
So sind einerseits Oberflächen Infektionsträger, bei denen die Gefahr einer Biofilmbildung droht: ein Reservoir für Pathogene. Antimikrobiell beschichtete Oberflächen oder eine Veränderung der Oberflächenstruktur könnten dabei helfen, diese Biofilmbildung zu verhindern. Andererseits führt das zu der Frage, welche Erreger wie lange auf welchen Materialien überleben. Weil da noch Forschung notwendig ist, ist es nicht einfach etwas zu empfehlen -zudem ein eventueller Umbau wiederum Kosten verursacht. Aber auch einfache Maßnahmen senken den Infektionsdruck. Eine gute Vegetation auf dem Außengelände und eine periodische Nutzung der Fläche sorgt dafür, dass sich das Gelände regenerieren kann. Durch Sträucher und Bäume gilt es Bodenerosion zu verhindern und die Grasnarbe zu schützen. Tierhaltung auf einem gesunden Boden mit einer hohen Vielfalt an Mikroorganismen, verhindert, dass Erreger dominant werden können, weil es mehr Konkurrenz zwischen den verschiedenen Arten gibt.
Das Spannungsfeld bleibt
Die Lösung könnte so in einem Mix zwischen innovativen Stalldesign und relativ natürlichen Haltungsbedingungen liegen. Zumal Luft nicht der Hauptübertragungsweg von allen Erregern in Ställen ist. Aber auch hier gibt es Zielkonflikte: Aus Gründen von Biosicherheit und Seuchenprävention müssten Herden eigentlich kleiner werden, wirtschaftlich darstellbar ist das aber nur den wenigsten Fällen.
„Die Tier-Umwelt-Interaktionen in der Landwirtschaft und speziell in Ställen bleibt ein Spannungsfeld, auf dem verschiedene Interessen ausbalanciert werden müssen“, sagt Thomas Amon. Pandemieprävention ist so vermutlich ein Prozess, kein Ergebnis. „One Health“, das zeigt der Workshop, wird dabei die wichtigste Rolle spielen.